Nö, UEP ist keine Partei auf Mallorca

Am Eingang zu unserem offenen Büro in Santanyí im Südosten Mallorcas begrüsst ein Schild in mehreren Sprachen die Besucher/innen. Darauf auch ein Gruss, den ich hier im Dorf sehr oft höre, und der wie „web“ mit langegezogenem e klingt. Klar, dass ein Online-Fan wie ich da gleich interessiert aufhorcht.

Nun, statt mit Digitalien hat das vernommene web mehr mit dem real life zu tun: geschrieben wird es uep, und es ist eine freundschaftliche Grussformel ähnlich dem bekannten, lockeren hola, nur eben auf Mallorquí. Lustigerweise deuten viele den Gruss in Grossbuchstaben gemalt auf unserem Ladenschild als eine Parteibezeichnung. Nein, nein, UEP ist einfach ein HALLO! in der hieseigen Landessprache. Denn wir verstehen den von uns gegründeten Coworking Space als internationalen Begegnungsraum. Daher notierte ich auf dem Begrüssungsschild das freundliche Hallo gleich in mehreren Sprachen, und natürlich auch in Mallorquí. UEP Hallo Hola Mallorca

Hiesige Landessprache? Ja, das Sprachenthema ist manchmal etwas herausfordernd für Ausländer wie wir. Sehr häufig werde ich daher von Coworkern gefragt, was das genau bedeutet mit den zwei offiziellen Amtssprachen. Ob das genauso zu verstehen wäre, wenn Bayern öffentliche Verlautbarungen sowohl in Hochdeutsch als auch in Boarisch verfasste.

Da stehen wir schon gleich vor einem weit verbreiteten Missverständnis: Mallorquí ist kein Dialekt des Castellano, der Amtssprache in allen Regionen Spaniens. Die Sprache der Baleareninsel Mallorca entwickelte sich aus dem Lateinischen und ist eng mit dem Katalanischen verwandt. Insofern kann von einem Dialekt des Catalan gesprochen werden. Wobei es im Mallorquí nicht zuletzt durch die Insellage sehr viele Unterschiede zum Catalan gibt. So ähnlich kennen wie wir es in Deutschland auch von Plattdütsch, Kölsch oder Bayrisch. Zugezogene aus Barcelona brauchen trotz Català eine Zeit der Eingewöhnung ins Mallorquí. „Meine Nachbarn antworteten mir in Castellano“, erzählte mir eine Dorfbewohnerin einmal entrüstet.

Aus Gesprächen mit meinen älteren mallorquinischen Nachbar/innen lernte ich, dass sie in ihrer Kindheit nur in der Familie im Verborgenen ihre Muttersprache Mallorquí sprechen konnten. Es war verboten in lokaler Sprache öffentlich zu sprechen, zu schreiben oder zu singen, traditionelle Tänze waren genauso verboten. Nur Castellano war erlaubt. Erst nach dem Tode Francos mit der Verfassung 1978 und dem Autonomiestatut* kehrten Català/Mallorquí offiziell nach Mallorca zurück. Die Beschilderung von Orten, Gegenden oder Strassen ist vornehmlich in Català, manchmal gibt es beide Amtssprachversionen.

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¡Hola! & UEP! Mallorca

Je weiter ihr von Palma de Mallorca reist oder lebt, trefft ihr weniger Castellano an (kennen wir auch aus unseren Regionen in Deutschland). Denkt nicht, es verstehe euch niemand; für viele (ältere) Mallorquiner/innen ist Castellano -historisch vertändlich- einfach keine angenehme Sprache. In Regionen mit vielen Touristen sprechen Einheimische oft die vorherrschende Sprache ihrer Gäste: hier in Santanyí zum Beispiel Deutsch, in vornehmlich von britischen Touristen besucht Englisch.

Von unseren deutschstämmigen Coworkern oder Nachbarn mit Kindern wissen wir, welchen sprachlichen Spagat die lieben Kleinen hier vollbringen. Zuhause spricht die Familie meist deutsch, mit den Kindern beim Spielen sprechen sie Mallorquí , in der Schule dann Català sowie Castellano – und dazu lernen sie in der Schulzeit eine weitere Fremdsprache. Respekt!

In unserem Dorf lebt ein Sprachforscher, der die mallorquinische Sprache studiert, Eigenheiten sammelt und konserviert. Auf unserer kleinen Nerd Nite letzten Sommer im Rayaworx begeisterte uns Cosme mit seiner quasi spracharchäologischen Arbeit: „Das Studium der Ortsnamen auf Mallorca und anderswo im Mittelmeerraum ist wie eine archäologische Ausgrabung. Denn jede Kultur hat den Ortsnamen neue Bedeutungen verpasst und oft bisherige Bezeichnungen unverstanden eingepasst.“

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Cosme spricht über Mallorcas Ortsnamen auf der Nerd Nite Santanyí

Cosme erkennt an einzelnen Wörtern und Aussprachen nach wenigen Sätzen aus welcher Region Mallorcas ein Mensch stammt. Denn obwohl die Insel von aussen betrachtet übersichtlich erscheint, für deren Bevölkerungen waren die Ansiedlungen weiträumig verteilt. So bilden sich bleibende sprachliche Eigenheiten heraus, die aufmerksamen Ohren die Herkunft verraten. Diese recherchiert Cosme in unzähligen Interviews und Sprachaufzeichnungen, um sie sodann in Sprachatlanten zu dokumentieren. Beispiele dafür sind die Ortsbezeichnungen an Artàs Küsten sowie der Sprachatlas zu den Vogelnamen auf den Balearen ist noch in der Entstehung (l’ Atles ornitonímic de les Illes Balears).

Ich selber spreche (noch) kein Mallorquí – zu sehr verwirrt es mich derzeit dabei, das Spanische zu festigen. Da ich lange in der Schule Französisch lernte und das Gelernte in Frankreich-Besuchen anwenden konnte, gelingt mir das Lesen von Mallorquí oder Català nach Klärung einiger Standardwörter ganz gut. Das ist wichtig, denn hier im ländlichen Raum schreibt das örtliche Rathaus seine Verlautbarungen in Català, seltenst in Castellano. Aus diesem Grunde, liebe Verlage, Autor/innen und Lektore/innen, bin ich auf Auswanderungsbücher zu Mallorca ziemlich sauer. Eigentlich sollten die Herausgebenden so ehrlich sein und ihre Titel als Palma-Auswanderungshandbuch bezeichnen. Es ist einfach ein Schmarrn zu schreiben, mit Grussformen in Mallorquí sei alles gut auf Mallorca – fürs Dorfleben ist eine erweiterte Sprachvorbildung sinnvoll.

Hier ein paar Beispiele, wie unterschiedlich Castellano und Català/Mallorquí sind:

Buenos días / Buenas tardes / Buenas noches Bon día / Bona tarde / Bon vespre / Bona nit Guten Tag / Guten Abend / Gute Nacht
Hola, ¿qué tal? Uep! Com anam? Hallo! Wie geht’s?
Muy bien, gracias. Molt bé, gràcies. Sehr gut, danke.
¿Tiene naranjas? Té taronges? Haben Sie Orangen?
Hable más despacio, por favor. Parli més a poc a poc, sisplau. Sprechen Sie langsamer, bitte.
Por favor. Sisplau. Bitte.
De nada. De res. Da nicht für / Gern geschehen.
Me llamo Doris. Em dic Doris. Ich heisse Doris
¡Hasta pronto! Fins aviat! Bis bald!
¡Hasta mañana! Fins demà! Bis morgen!
ayer / hoy / mañana ahir / avui / demà gestern / heute / morgen
lunes, martes, miércoles, jueves, viernes, sábado, domingo dilluns, dimarts, dimecres, dijous, divendres, dissabte, diumenge Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag
Adiós, ¡hasta otro! Adéu, fins un altre! Auf wiedersehen, bis ein anderes Mal!

Saludos de / salutacions des de Santanyí,
Doris

*PS: Der Jahrestag des Autonomiestatuts der Balearen (1983) wird mit dem lokalen Feiertag am 1. März begangen: Día de ses Illes Balears.

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Es grüßt das Eselchen an Rainers Laufstrecke in Santanyí

3 Antworten auf „Nö, UEP ist keine Partei auf Mallorca

  1. ich war mit meiner damaligen Freundin (mallorquin) in der Schweiz im Urlaub. während ich mich für das Abendessen zurechtmachte, schaute sie fern und schrie plötzlich auf mallorqui: “ ich ferstehe alles.. !“
    sie hatt sich eine Sendung in Rumantsch,
    Rätoromanisch an. diese Sprachen tatsächlich sehr ähnlich, aber wie kommt das?

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    1. Hola Hugo!
      Es ist ja so spannend, wie die ehemals eng durch Handelsrouten verknüpften Sprachräume der Vergangenheit ihre Spuren in der heutigen Sprachwelt aufscheinen lassen! Da bin ich schon über interessante Querverbindungen aus der Historie gestolpert.
      Und schau: Tatsächlich gibt es einen historischen Zusammenhang zwischen Katalan und Rumantsch, der in diesem Beitrag erläutert wird:
      http://www.gereon.es/deutsch/linguistik/parallelen-zwischen-katalanisch-und-b%C3%BCndnerromanisch/
      Sonnige Grüße,
      Doris

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