Klassik-Schatz auf Mallorca

Es gibt immer wieder spannende Schätze in Mallorca zu entdecken. Dieses Mal in der Welt der klassischen Musik. Zu Gast bei Klaus Fischer auf der Finca Pescador ließ uns dieser ins 19. Jahrhundert eintauchen. Mit Musik aus der Feder von Frédéric Chopin, unter anderem im Winter 1838/1839 komponiert.

Durch die Kunst- & Kulturtouren von Ingrid Flohr entdeckte ich wieder einmal ein verstecktes Juwel: Auf seiner Finca nahe Santanyí hütet Klaus Fischer ein besonderes Schmankerl für Klassikfans. Das durfte ich auf einer außergewöhnlichen Matinée erleben: »Chopin auf Mallorca – Die schöne schaurige Geschichte«. Zum einen wurden Werke von Frédéric Chopin (Fryderyk Chopin; 1810-1849) auf einem Konzertflügel gespielt. Dazwischen verlas Axel Thorer Passagen aus den Briefen von George Sand, die sie zu der Zeit des Aufenthalts auf der Insel geschrieben hatte. Das Geheimnisvolle dabei: Es griff niemand in die Tasten …

Chopin & Mallorca

Im November 1838 war Komponist und Musiklehrer Chopin auf die Mittelmeerinsel gereist. Sein Ziel: Erholung und einen Ort für kreatives Schaffen zu finden. Er hatte extra ein Instrument der Klavierfabrik Pleyel in Frankreich geordert – das erreichte jedoch mit erheblicher Verzögerung erst wenige Tage vor der überstürzten Rückfahrt das vorübergehende Quartier im Tramuntana-Gebirge. Dem Musiker blieb während seines Aufenthalts das Komponieren auf Papier sowie einem Hausklavier, dass ihm zur Verfügung stand. (Spannende Details rund um Chopins Klavier, die Thorer während des Konzertevents andeutete, liefert ein unten verlinkter Artikel.)

Vielen dürfte bekannt sein, dass Chopin damals nicht allein unterwegs war. Durchaus berühmt-berüchtigt wurde der Aufenthalt durch ein Buch, das die Schriftstellerin und damalige Gefährtin des Komponisten Jahre später verfasste. George Sand (Pseudonym von Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil; 1804-1876) suchte auf der Insel einen stillen, einsamen Rückszugsort. Gemeinsam mit Sands Kindern Maurice & Solange machte die Reisegruppe dagegen Erfahrungen, die zum anklagenden Ton in ihrem Werk »Un Hiver à Majorque« (Ein Winter auf Mallorca) führten.

Reisen vor Tourismus-Boom

Chopin und Sands Familie verbrachten 1838 die Wintermonate in Valdemossa. Das ist lange bevor der österreichische Erzherzog Ludwig Salvator (1847-1915) die Insel entdeckte. Der wird gerne als „Tourist Nummer 1“ bezeichnet. Nun gut, die schriftlichen Hinterlassenschaften des so genannten Arxiduc waren insgesamt wohlmeinender als George Sands Abrechnung mit ihrem mallorquinischen Winter.

Allein die Überfahrt nach Mallorca ein krasses Erlebnis für die Reisegruppe. Zwischen Barcelona und der Insel beförderte lediglich ein Transportschiff ohne jeglichen Komfort einmal pro Woche bei schönen Wetter Schweine zum Festland. Dazu durften sich jeweils ein paar wenige Passagiere einschiffen. Die Situation an Bord beschrieb die Autorin bei der Rückfahrt ausführlich in ihrem Buch:

„Als wir im März von Mallorca nach Barcelona zurückfuhren, war es im Schiff stickig und heiß; dennoch vermochten wir keinen Fuß auf das Deck zu setzen. Selbst wenn wir der Gefahr getrotzt hätten, von übellaunigen Schweinen ins Bein gebissen zu werden, so hätte der Kapitän uns zweifellos untersagt, die Tiere durch unsere Anwesenheit zu verärgern.“ – George Sand »Ein Winter auf Mallorca«

Da verfügte der Erzherzog später mit eigener Dampf-Segelyacht »Nixe« über ganz andere und deutliche angenehmere Möglichkeiten.

Ausflug in die Musikgeschichte

Wie kommt Chopins Arbeits- und Erholungsreise nun mit dem Klassikkonzert zusammen? Das ist ganz einfach: Vor der Kulisse spannender historischer Musikautomaten war es die Kombination aus »Welte-Mignon-Vorsetzer« und »Ibach-Flügel Richard Wagner«, die im Fokus der Konzertveranstaltung der Finca Pescador stand. Sammler Klaus Fischer hegt und pflegt dort musikalische und mechanische Kostbarkeiten.

Als mich Ingrid erstmals auf dieses Konzert hinwies, musste ich sogleich an Francisca denken. Die mallorquinische Nachbarin in Santanyí erzählte mir einmal, wie sehr sie es liebte, wenn ein Freund aus der Nachbarschaft das Klavier bei ihr im Haus spielte. Er habe so eine wundervolle Art im Klavierspiel gehabt. Und solche Eigenheiten vermag das System von Welte-Mignon zu konservieren und mit Hilfe des so genannten Vorsetzers zu reproduzieren.

Der Flügel der Finca Pescador ist so ein Rollenreproduktions-Flügel. Dieser gab auf dem Konzert ohne Menschenhand die Musikstücke wider, angetrieben von einer Papierrolle, die Klaus Fischer zu spannenden Erklärungen jeweils einlegte. In einer solchen Rolle wurden zuvor die persönlichen Tempi und Anschlagsdynamiken einer Pianistin oder eines Pianisten kodiert gespeichert. Wie das genau geschah, das Geheimnis nahmen die Freiburger Erfinder mit ins Grab. Spezielle Aufnahmegeräte verewigten das Klavierspiel damals auf mehr als 4.000 Papierrollen.

Nun gut, niemand weiß ganz genau, wie Chopin seine Werke gespielt hat. Klaus Fischer erzählte uns jedoch, dass durch diese Aufzeichnungen berühmte frühe Chopin-Interpretationen der Konzertpianistinnen Sandra Droucker (1875-1944) oder Youra Guller (1895-1980) erhalten wurden, von denen es ansonsten keine Grammophon-Aufnahmen gibt.

Mallorca & Chopin-Werke

Aus seiner umfangreichen Sammlung wählte Fischer Werke von Chopin heraus, die einen Bezug zu Mallorca haben. So ist bekannt, dass George Sand mit Vorliebe Chopins Mazurkas in Valdemossa hörte. Davon gab es einige Rollen.

Den Zyklus der »24 Préludes op. 28« – mit der bekannten »Regentropfen-Prélude« – komponierte Chopin bestätigt auf der Insel. Die Prélude zeichnete Welte-Mignon in den unterschiedlichen Interpretationen von drei Pianisten auf. Einer davon war der Komponist Ferruccio Busoni, der genau an dem Flügel spielte, der in der Finca erhalten und in Konzerten eingesetzt wird.

Zugaben

Für das Klassikevent hatte Fischer auf jeden Fall reichlich Rollen in petto. So hörten wir unter anderem den sehr bekannten »Minutenwalzer« von Chopin, der eigentlich als »Valse du Petit Chien« (Walzer des kleinen Hundes) oder nüchtern »Opus 64 Nr. 1« bezeichnet wird.

Schmunzelnd erzählte uns der Sammler, dass es bei dem Stück mitnichten darum ging, die Noten in einem Zeitraum von einer Minute zu spielen. Tatsächlich läge die schnellste Spielzeit des Stücks zwischen 1:40-1:50 min. Der Walzer ist meines Erachtens sowieso schon recht schnell im Tempo – wer das noch schneller spielt, handelt einem Spruch des Komponisten zuwider: ”Put all your soul into it, play the way you feel.“

Der Hintergrund der Komposition hatte vielmehr mit einem kleinen Hund von George Sand zu tun. Dieser dreht sich gerne um sich selber, um seinen Schwanz zu fangen. Diese Inspiration ließ Chopin in den Walzer des kleinen Hundes einfließen. Er hält damit diesen Augenblick – diese Minute – für immer fest.

Valdemossa Chopin Büste

Nachbemerkung

Bleibt noch zu erwähnen: Frédéric Chopin hätte glatt als erster Workatonist auf Mallorca in die Geschichte eingehen können. Leider verdiente er seinen Lebensunterhalt nicht mit seinen Kompositionen. Er lebte vom Klavierunterricht, den er in Paris fünf Stunden täglich gab. Zum Unterrichten kam es auf der Insel nach den Wintermonaten jedoch nicht mehr.

Ich gebe zu: Klassische Musik ist eher selten auf meinen Ohren, aber wenn, dann Klaviermusik und sehr gerne Chopin. Daher habe ich das Konzert sehr genießen können. Ob Klassik-Fan oder vielleicht „nur“ historisch Interessiert: Der Besuch des Konzerts auf der Finca Pescador ist ein Highlight und bekommt von mir eine klare Empfehlung.

Zur Vertiefung


Fotos: DoSchu / 2go2-mallorca.eu

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